Eine Frage der Perspektive: Eine Studie zum sozialen Prestige von Berufen in der Schweiz nach der Art der Bildungsanforderungen, der persönlichen Bildungserfahrung und der politischen Haltung

Universität Bern

Projektleitung: Prof. Dr. Stefan Wolter

Laufzeit: 01.11.2016 – 31.10.2018

Berufsausbildungen gelten bei Jugendlichen und ihren Familien häufig als gesellschaftlich weniger prestigeträchtig. Es hat sich gezeigt, dass Eltern eine Berufsausbildung aufgrund von Statusüberlegungen ausschliessen. Die Einstellung von Erwachsenen zum sozialen Prestige von Berufen könnte somit ein Schlüsselelement sein, um zu verstehen, weshalb die Berufsbildung unter einem Imagedefizit leidet. Während die bisherige Literatur zum sozialen Prestige von Berufen betont, dass der hohe Stellenwert der Wissenschaft oder die Ausbildungsintensität bestimmter Berufe für die Wahrnehmung ihres sozialen Prestiges eine wichtige Rolle spielen, lässt sie die unterschiedlichen Wissensarten und die Vielfalt der Qualifikationsinhalte von Berufen ausser Acht. Diese Studie legt dar, dass die durch das Bildungssystem bescheinigte Wissensart (akademisches vs. berufliches Wissen) auf der beruflichen Ebene den verschiedenen Dimensionen von Berufskompetenzen entspricht und dass dies ein wesentlicher Faktor zur Beantwortung der Frage sein könnte. Eine unterschiedliche Wahrnehmung der Relevanz von physischen Tätigkeiten und kognitiven Fähigkeiten könnte hier besonders ausschlaggebend sein. Mit der Analyse eines einzigartigen Datensatzes aus der Schweiz, die über ein fest verankertes und gut funktionierendes Berufsbildungssystem verfügt, wird hier ein Beitrag zur Fachliteratur geleistet. Der Datensatz stützt sich auf eine Umfrage zur Haltung von Erwachsenen gegenüber dem sozialen Prestige von Berufen, die eine akademische oder berufliche Ausbildung voraussetzen. Die Ergebnisse zeigen, dass Berufe, die eine Berufsausbildung erfordern, unter sonst gleichen Bedingungen im Durchschnitt ein tieferes soziales Prestige haben. Wird dieser Effekt anhand verschiedener Dimensionen von Berufskompetenzen genauer untersucht, zeigt sich, dass die Komplexität der für die jeweiligen Berufe verlangten Kompetenzen − unabhängig davon, ob es sich um manuelle oder intellektuelle Tätigkeiten handelt − eindeutig zum sozialen Prestige des untersuchten Berufs beiträgt. Auf individueller Ebene schreiben Frauen sowie Hochschulabsolventinnen und -absolventen Berufen, die hohe Problemlösungskompetenzen erfordern, tendenziell ein höheres Prestige zu. Je näher die Befragten dem einen oder anderen Extrem des politischen Spektrums stehen, desto weniger ausgeprägt ist für sie der Zusammenhang zwischen den Ausbildungsanforderungen und dem sozialen Prestige eines Berufs.

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