Microcredentials sind Nachweise über absolvierte kurze Lerneinheiten. Das Schweizer Aus- und Weiterbildungssystem erlaubt es allen Akteuren, Microcredentials zu konzipieren und anzubieten. Das SBFI verfolgt verschiedene der mit Microcredentials verbundenen Zielsetzungen bereits im Rahmen unterschiedlicher Massnahmen und beobachtet die nationalen und internationalen Entwicklungen in diesem Bereich.
Was sind Microcredentials?
Als Microcredentials werden Nachweise über absolvierte kurze Lerneinheiten bezeichnet, übersetzt handelt es sich um Mikrozertifikate. Ausgestellt werden können sie von verschiedensten Akteuren: zum Beispiel von Staaten, Institutionen, Unternehmen, Plattformen wie Linkedin oder Coursera oder von Privatpersonen.
Ob Microcredentials die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen und zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt ein hohes Ansehen haben oder an andere Formen von Bildung anrechenbar sind, hängt von zahlreichen Faktoren ab: von der Konzeption des Angebots und seiner Verankerung im Arbeitsmarkt, von seiner Einbettung im Bildungssystem, von Absprachen zwischen den Akteuren des Bildungssystems und von der Qualität und Reputation der ausstellenden Organisation oder Institution.
Situation in der Schweiz
In der Schweiz existieren Mikrozertifikate unterschiedlichster Art im Bereich der Weiterbildung seit langem, zum Beispiel in Form von Branchenzertifikaten, Anbieterzertifikaten, Kursbestätigungen usw. Bisher wurden diese kurzen Lerneinheiten allerdings nicht als Microcredentials bezeichnet.
Im Hochschulbereich beschäftigen sich einzelne Institutionen, aber auch die Rektorenkonferenz der schweizerischen Hochschulen swissuniversities und der schweizerische Verband der universitären Weiterbildung swissuni mit der Thematik der Microcredentials.
Im Bereich der Berufs- und Weiterbildung werden viele Ziele, die mit Microcredentials verfolgt werden können, bereits mit unterschiedlichsten Massnahmen verfolgt. Beispiele sind die Förderung der Grundkompetenzen mit Grundkompetenzkursen, modularisierte berufliche Grundbildungen, der Berufsabschluss für Erwachsene, oder andere Qualifikationsverfahren in der beruflichen Grundbildung wie die aufgeteilte Prüfung, die direkte Zulassung zur Prüfung oder die Validierung. Kurze Lerneinheiten spielen auch in zahlreichen Initiativen von Branchenverbänden und Unternehmen eine zentrale Rolle, so zum Beispiel bei der Entwicklung von Branchenzertifikaten, im Holzbau-LAB von Holzbau Schweiz oder auf der Lernplattform Typsy, welche den Mitgliedern von HotellerieSuisse kostenlos zur Verfügung steht.
Situation im Ausland
Der Rat der Europäischen Union hat 2022 eine Empfehlung über einen europäischen Ansatz für Microcredentials für lebenslanges Lernen und Beschäftigungsfähigkeit veröffentlicht.
Obwohl die EU Microcredentials mit ihrer diesbezüglichen Empfehlung als explizites Förderziel definiert, zeigen Umfragen von Cedefop, dass bei nationalen Behörden und Bildungsanbietern sowie Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen noch zahlreiche Unklarheiten und Unsicherheiten bestehen. Von den befragten staatlichen Behörden gaben 55% an, dass der Begriff Microcredentials in ihrem nationalen Kontext nicht verwendet wird. Auch 48% der befragten Anbieter von Berufsbildung konnten nicht angeben, ob ihre Organisationen Microcredentials vergeben oder nicht.
Der Grundlagenbericht Micro-Credentials des SVEB skizziert verschiedene Beispiele für internationale Entwicklungen. Diese zeigen die Diversität an Angeboten, die unter dem Oberbegriff Microcredentials entstehen können: es sind dies zum Beispiel Online-Plattformen mit digitalen Lernmodulen für die Berufsbildung (Deutschland), Programme zur beruflichen Kurzausbildung (Dänemark), oder branchenspezifische Weiterbildungsprogramme, die Fachkräfte während einer Vollzeitbeschäftigung absolvieren können (Norwegen).
Umsetzung in der Schweiz
Es steht jedem Akteur im Bildungsbereich frei, Microcredentials als kurze Weiterbildungseinheiten zu entwickeln und anzubieten. Das SBFI verfolgt die Entwicklungen im In- und Ausland und fördert den Austausch unter den Akteuren. Das SBFI unterstützt ausserdem finanziell den Schweizerischen Verband für Weiterbildung SVEB bei der Erstellung des ersten Grundlagenberichts und bei der Erstellung einer Folgestudie. Eine staatliche Regulierung im Bereich Microcredentials scheint für den non-formalen Bereich der kurzen Weiterbildungen nicht angezeigt.
Weitere Informationen
- Der Schweizerische Verband für Weiterbildung SVEB hat einen ersten Grundlagenbericht Micro-Credentials erstellt. Bereits 2019 hat der SVEB ausserdem eine Studie zur Anerkennung von Branchenzertifikaten auf dem Arbeitsmarkt veröffentlicht.
- Cedefop präsentiert erste Ergebnisse aus dem Projekt Microcredentials for labour market education and training.
- Das Projekt zur Rolle von Ausbildungszertifikaten und Kompetenzen für die Stellenbesetzung der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung wird künftig weitere Hinweise bezüglich des Wertes von Zertifikaten auf dem Arbeitsmarkt bringen.
- Eine differenzierte Einschätzung der Risiken und Herausforderungen aus der Perspektive Deutschlands: Microcredentials: eine europäische Initiative für das lebenslange Lernen – neu und doch bekannt. Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, Fachzeitschrift des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), 3/2022 S. 35-39.