Am 19. Juni 1999 ist die Bologna-Deklaration unterzeichnet worden. Auch die Schweiz beteiligte sich damit an einer der grössten Reformen in der Hochschulbildung in den letzten Jahrzehnten. Dieser Beitrag zeigt einige Etappen bei der Umsetzung der Bologna-Deklaration in der Schweiz sowie in Europa auf.
Ein Überblick über die wichtigsten Etappen

1999 – die Bologna-Deklaration und die Schweiz als Signatarstaat der ersten Stunde
Der im Juni 1999 von 29 Staaten unterzeichneten Bologna-Deklaration gehen zwei wichtige Texte voraus:
- Die Magna Charta Universitatum wurde 1988 von den Rektorinnen und Rektoren zahlreicher Universitäten anlässlich des 900-Jahre-Jubiläums der Universität Bologna unterzeichnet. Sie vertritt die Werte der institutionellen Autonomie und der akademischen Freiheit als Grundsätze einer guten Governance der Hochschulen.
- Die Sorbonne-Deklaration wurde 1998 anlässlich des 800-jährigen Bestehens der berühmten Pariser Universität vom französischen, deutschen, englischen und italienischen Bildungsministerium unterzeichnet. Mit der Zustimmung der Schweizerischen Universitätskonferenz (heute: Schweizerische Hochschulkonferenz) unterzeichnete auch Bundesrätin Ruth Dreifuss die Deklaration, die die Vision eines Europas des Wissens skizziert.
Um einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum zu schaffen, beschliessen die Bildungsministerinnen und -minister mit der Bologna-Deklaration folgende Ziele: leicht verständliche und vergleichbare Abschlüsse, ein zweistufiges Studiensystem mit Bachelor und Master, die Einführung eines Leistungspunktesystems (nach dem ECTS-Modell), die Förderung der Mobilität, die Zusammenarbeit bei der Qualitätssicherung und die Förderung der europäischen Dimension im Hochschulbereich.
Die Bologna-Deklaration ist eine zwischenstaatliche Initiative, die nicht bindend ist. Für ihre Umsetzung sind die einzelnen Länder zuständig. Sie bietet auch für die Schweiz eine einmalige Gelegenheit, ihr nationales System zu reformieren. Die Zuständigkeit für die koordinierte Umsetzung der Bologna-Deklaration in der Schweiz wird den Rektorenkonferenzen übertragen (heute: swissuniversities, die Rektorenkonferenz der schweizerischen Hochschulen).
2004 – koordinierte Umsetzung der Reformen und erste Vergabe des Bachelortitels
Die Rektorenkonferenzen leisten intensive Arbeit und schlagen ab 2002 verschiedene verbindliche Richtlinien vor. Im Rahmen des Bologna-Prozesses werden einerseits für die Universitäten und andererseits für die Fachhochschulen (FH) und die pädagogischen Hochschulen (PH) Richtlinien für die koordinierte Erneuerung der Lehre festgelegt.
Die Richtlinien dienen dazu, einheitliche Vorschriften zu folgenden Punkten sicherzustellen: Studienstufen (einschliesslich ECTS-Punkte) und deren Übergänge, die einheitliche Benennung der Titel sowie die Durchlässigkeit und Mobilität zwischen den und innerhalb der universitären Hochschulen, FH und PH. Da die Bologna-Richtlinien nur die unerlässlichen Voraussetzungen regeln, bleibt den Hochschulen bei der Umsetzung der Bologna-Reformen und der Gestaltung der Studienprogramme ein bedeutender Handlungsspielraum.
Ab 2004 werden an den universitären Hochschulen die ersten Bachelordiplome vergeben. An den FH und den PH ist dies 2008 der Fall. Seit dem Wintersemester 2009/2010 beginnen alle Studienanfängerinnen und -anfänger in der Schweiz ihr Studium nach dem Bologna-Modell – selbst im Medizinstudium, auf das nur wenige Länder das zweistufige Modell anwenden.
2010 – offizielle Eröffnung des europäischen Hochschulraumes
Seit der Unterzeichnung der Bologna-Deklaration versammeln sich die Unterzeichnerstaaten alle zwei bis drei Jahre, um den Stand der Umsetzung der Reformen zu besprechen, die ursprünglichen Absichten zu präzisieren und neue Massnahmen zu treffen. Zu diesen Massnahmen gehören unter anderem die Berücksichtigung des Doktoratsstudiums als dritte Studienstufe, die Einrichtung des Registers der europäischen Qualitätssicherungsagenturen EQAR und eines Qualifikationsrahmens für den europäischen Hochschulraum (QF-EHEA) sowie die automatische und kostenlose Ausstellung von Diploma Supplements (Studiengangerläuterungen).
Die teilweise erheblichen Unterschiede beim Fortschritt der Umsetzung der wichtigsten Verpflichtungen von Bologna schaden der Glaubwürdigkeit des europäischen Hochschulraums und dessen Entwicklung. Ab 2015 wird die Problematik der «Nichtumsetzung» angesprochen. 2018 wird ein System der Peer-Unterstützung nach dem «Geist von Bologna» eingeführt.
Die Staaten haben sich in der Bologna-Deklaration verpflichtet, bis 2010 einen europäischen Hochschulraum zu schaffen. Obwohl die Reformen noch nicht in allen Ländern umgesetzt worden sind, wird der europäische Hochschulraum an der Konferenz von Wien und Budapest im März 2010 offiziell eingeweiht. Die Staaten verpflichten sich dabei für weitere zehn Jahre. 2019 besteht der europäische Hochschulraum aus 48 Ländern, die dem Europäischen Kulturabkommen angeschlossen sind, sowie der Europäischen Kommission.
2015 – Schaffung des Schweizerischen Akkreditierungsrates
Die Zusammenarbeit im Bereich der Qualitätssicherung läuft bereits seit Beginn des Bologna-Prozesses. Sie dient dazu, vergleichbare Kriterien und Methoden zu entwickeln und die Qualität der Lehre zu verbessern. Nach der Annahme eines neuen Verfassungsartikels, wonach Bund und Kantone gemeinsam für die Koordination und die Gewährleistung der Qualitätssicherung im Hochschulbereich sorgen, wird 2015 ein neues Bundesgesetz in Kraft gesetzt: Das Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetz (HFKG) stellt unter anderem die Akkreditierung in der Hochschullandschaft Schweiz auf eine neue Grundlage. Ein politisch unabhängiger Schweizerischer Akkreditierungsrat wird ins Leben gerufen, dessen Entscheide den akkreditierten Hochschulen ein Gütesiegel ausstellen.
Die zweite mit dem HFKG eingeführte Neuerung ist der Aufbau eines gemeinsamen Qualitätssicherungssystems für alle Hochschulen. Das Akkreditierungsverfahren konzentriert sich gemäss den «Standards and Guidelines for quality assurance in the European Higher Education Area» auf das Qualitätssicherungssystem der Hochschulen.
2019 – die Prinzipien der Bologna-Deklaration als fester Bestandteil des Hochschulwesens
Die Delegation Lehre von swissuniversities, die nun alle unterschiedlichen Hochschultypen vereint, stellt ihr jährliches Treffen im Mai 2019 unter das Motto des 20-jährigen Jubiläums von Bologna. Gestützt auf die oben erwähnten Bologna-Richtlinien erarbeitet die Schweizerische Hochschulkonferenz mit swissuniversities einen Entwurf für eine gemeinsame neue Verordnung zur Koordination der Lehre an den Schweizer Hochschulen. Der derzeit zur Vernehmlassung vorliegende Entwurf präzisiert spezifisch folgende Punkte: die Anzahl ECTS-Kreditpunkte der Masterstudiengänge an den FH, einschliesslich FH-Bachelor als berufsqualifizierender Abschluss, die dritte Stufe (Doktorat), die Weiterbildung sowie die Titelbezeichnungen.
Auf europäischer Ebene findet am 24. und 25. Juni 2019 an der Universität Bologna eine grosse Konferenz zu den Werten und zur Zukunft des europäischen Hochschulraums statt. Im Juni 2020 treffen sich die Ministerinnen und Minister des europäischen Hochschulraums in Rom, um die künftigen Prioritäten festzulegen.
Abschlüsse nach Hochschultyp und Examensstufe, ab 2005

Wo steht man heute in der Schweiz in Bezug auf die Mobilität, eines der Hauptziele des Bologna-Prozesses?
Der Bereich Mobilität wurde mit einem eindeutigen quantitativen Ziel von 20% bis 2020 versehen. Gemäss einer kürzlich veröffentlichten Publikation des Bundesamts für Statistik über die Mobilität bewegte sich die Auslandsmobilitätsquote der Absolventenkohorten 2012, 2014 und 2016 zwischen 20% und 21%. Die Quote beträgt 16%, wenn lediglich Auslandsaufenthalte berücksichtigt werden, die einer Mindestdauer von drei Monaten oder dem Erwerb und der Anrechnung von 15 ECTS entsprechen. Mit der Einführung der gestuften Studiengänge hat das Bologna-Modell auch die vertikale Mobilität beim Übertritt vom Bachelor- auf die Masterstufe zwischen Hochschulen, Studienrichtungen oder Hochschultypen möglich gemacht.
Bundesamt für Statistik
Mobilität von Studierenden der Schweizer Hochschulen 2013-2016
Weitere Informationen
Autorin
Muriel Meister-Gampert, SBFI