Exzellenz und Attraktivität der dualen Berufsbildung

Die Schweiz, Österreich und Deutschland stellen ihren Ansatz vor

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Von links nach rechts: Vlasis Korovilos (Cedefop), Isabelle Le Mouillour (Bundesinstitut für Berufsbildung BIBB Deutschland), Frédéric Berthoud (SBFI) und Franz Gramlinger (Österreichische Referenzstelle für Qualität in der Berufsbildung ARQA-VET). Bild: zVg

Die Berufsbildung geniesst international hohe Beachtung, denn sie gilt als Mittel zur Bekämpfung des Fachkräftemangels und der Jugendarbeitslosigkeit. Allerdings ist sie auf internationaler Ebene nicht eindeutig definiert und wird entsprechend sehr unterschiedlich wahrgenommen und ausgestaltet. An einer von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und vom Europäischen Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (Cedefop) im Oktober 2019 in Paris organisierten Konferenz erklärten Länder mit «dualer Tradition», wie sie die Attraktivität ihres Berufsbildungssystems gewährleisten und auch künftig bewahren wollen.

«The next steps for Apprenticeships» − oder wie kann die Berufsbildung auf die Bedürfnisse der Zukunft ausgerichtet werden? Die Konferenz von OECD und Cedefop versammelte Berufsbildungspartner und Forschende aus der ganzen Welt. An der Tagung wurde unter anderem über die neusten Entwicklungen der Forschung berichtet. Auch wurde erörtert, wie die Berufsbildung den Herausforderungen der neuen Technologien begegnen kann, wie beispielsweise der Digitalisierung oder neuen Arbeitsformen.

Beiträge der Schweizer Berufsbildungsforschung

Die Schweiz investiert aktiv in die Berufsbildungsforschung. Prof. Dieter Euler (Universität St. Gallen) stellte verschiedene Modelle vor, mit denen sich die Schranken zwischen Berufsbildungs- und akademischen Studiengängen abbauen lassen. Prof. Dr. Antje Barabasch (Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung EHB) präsentierte, wie sich die Innovation in den beruflichen Grundbildungen im Telekommunikationsbereich zeigt. Die Schweizer Expertinnen und Experten leisteten mit ihrer Teilnahme an der Konferenz einen wichtigen Beitrag dazu, das Image der Schweiz auf internationaler Ebene zu stärken.

Systemische Exzellenz – individuelle Exzellenz

Die Länder mit dualer Ausbildung (vorab Deutschland, Österreich und die Schweiz sowie Dänemark) zeichnen sich durch ein exzellentes duales Bildungssystem aus. Sie fördern in der Regel die Exzellenz nicht direkt, diese ergibt sich vielmehr aus den Parametern ihrer Bildungssysteme.

Exzellenz in der dualen Berufsbildung zeigt sich in verschiedener Hinsicht, beispielsweise bei der Arbeitsmarktfähigkeit, der Mobilität, den Perspektiven zur beruflichen Entwicklung, beim lebenslangen Lernen und beim Kosten-Nutzen-Verhältnis. Diese Parameter fördern die systemische Exzellenz und unterstützen gleichzeitig die individuelle Exzellenz, beispielsweise mit nationalen und internationalen Wettbewerben (SwissSkills, WorldSkills etc.). Die dualen Berufsbildungsangebote sind für die Jugendlichen attraktiv, weil sie ihnen die Möglichkeit bieten, ihre Talente über breitgefächerte Kompetenzen auszudrücken. Damit fördert die duale Berufsbildung sowohl die Integration als auch die individuelle Exzellenz.
Diese Merkmale der Schweizer Berufsbildung stehen häufig im Gegensatz zu ausländischen Systemen, die – ohne über deren Qualitäten an sich zu urteilen – den Fokus auf die Aus- oder Weiterbildung von Erwachsenen oder den Erwerb von Grundkompetenzen bei Jugendlichen richten, die nicht in der Lage sind, einen anderen Bildungsweg zu absolvieren.

Unterschiedliche Herangehensweise

Das Thema «Exzellenz» bei der Berufsbildung ist im Trend, was der Schweiz durchaus zugutekommt. In unserem Berufsbildungssystem wird jedoch eher von Attraktivität gesprochen, die beispielsweise durch die Systemdurchlässigkeit oder die Ausrichtung auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes erreicht wird. Aufgrund der Unterschiede bei den Berufsbildungssystemen in Europa bleibt zu definieren, was Exzellenz bedeutet und wie die Akteure diese angesichts der künftigen Herausforderungen wie dem Wandel der Arbeitswelt, der Digitalisierung und den soziodemografischen Veränderungen aufrechterhalten wollen. Hier seien insbesondere die Verlängerung des Erwerbslebens und die fortlaufende Weiterentwicklung der beruflichen Umgebung und der Technologien erwähnt.

Wenn man genauer hinschaut, verfolgt jedes Land mit dualem Berufsbildungssystem einen anderen Ansatz:

  • Deutschland hat eine Initiative «Innovation for an Excellent VET (InnoVET)» entwickelt, die sich zu einem grossen Teil auf die Sozialpartnerschaft abstützt, aber auch auf die Förderung bei den Jugendlichen und die Gleichwertigkeit von beruflichen und akademischen Ausbildungen setzt.
  • In der Schweiz haben die Verbundpartner der Berufsbildung die Initiative «Berufsbildung 2030» lanciert. Der Bund, die Kantone und die Organisationen der Arbeitswelt wollen damit Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft vorwegnehmen. Die Initiative sieht verschiedene Massnahmen vor, um das aktuelle Qualitätsniveau zu erhalten und künftige Herausforderungen in der Berufsbildung anzugehen. Die Berufsbildungsforschung unterstützt den gesamten Prozess.
  • Österreich legt den Schwerpunkt ebenfalls auf die Qualitätssicherung, sowohl in der betrieblichen als auch der schulischen Ausbildung.

SBFI News 5/19

Autor

Frédéric Berthoud, SBFI
Leiter Ressort Internationale Bildungszusammenarbeit und Berufsqualifikationen

Weitere Informationen

Apprenticeship-Toolbox
Die Apprenticeship-Toolbox wurde von Österreich, Dänemark, Deutschland, Luxemburg und der Schweiz erarbeitet, um zur Unterstützung der Europäischen Ausbildungsallianz die Weiterentwicklung der dualen Ausbildung zu fördern. Sie wurde von der EU im Rahmen von Erasmus+ mitfinanziert und vor Kurzem aktualisiert.

Tagungsbeiträge
Ein gemeinsamer Artikel von Deutschland, Österreich, Dänemark und der Schweiz sowie die anderen Konferenzbeiträge soll in einer Publikation des Cedefop veröffentlicht werden.

Berufsbildung 2030

https://www.sbfi.admin.ch/content/sbfi/de/home/dienstleistungen/publikationen/publikationsdatenbank/s-n-2019-5/s-n-2019-5f.html