Die Schweiz beherbergt, finanziert oder unterstützt aktiv mehrere Forschungsinfrastrukturen, die zur Bekämpfung des Coronavirus (SARS-CoV-2) zusätzliche Dienstleistungen erbringen und bedeutende Beiträge leisten. Während in vielen Teilen der Welt aufgrund des Lockdowns Stillstand herrscht, arbeiten diese Infrastrukturen unablässig und koordiniert daran, das neue Virus besser zu verstehen oder die Epidemie einzudämmen.
#TogethervsVirus – grenzüberschreitende Zusammenarbeit

Vielfältige Nutzung von Forschungsinfrastrukturen
Ein erstes Beispiel dafür sind die Anlagen für Röntgenstrahlen hoher Intensität, mit denen die Struktur der Materie bis auf Atomebene entschlüsselt werden kann. Sie sind wie «Mikroskope», die Aufschluss über die Struktur von Proteinen und Viren geben, so auch von SARS-CoV-2. Kenntnisse über die Struktur des Virus und der Proteine, an denen dieses andockt, helfen zu verstehen, wie das Virus funktioniert und welche Behandlungsmöglichkeiten infrage kommen.
Mehrere Röntgenstrahlungsquellen sind derzeit für Forschungen zu SARS-CoV-2 geöffnet und gewähren Forschenden in diesem Bereich prioritären Zugang. Dies gilt beispielsweise für die Swiss Light Source und den SwissFEL am Paul Scherrer Institut (PSI) in Villigen (AG) oder die Europäische Synchrotronstrahlungsanlage in Grenoble (ESRF). Andere Infrastrukturen, namentlich das Institut Laue-Langevin (ILL) in Grenoble, haben entschieden, ihre Instrumente anzupassen, um effizient zur Forschung über SARS-CoV-2 beitragen zu können, sobald sie ihre Anlagen wieder in Betrieb nehmen können.
Datenerfassung und -analyse spielen eine wesentliche Rolle
Viele der internationalen Forschungsinfrastrukturen stellen ihre für die Erforschung des SARS-CoV-2-Virus nützlichen qualitativen Daten und Kompetenzen auf spezifischen Datenplattformen zur Verfügung. Nachfolgend werden einige Beispiele vorgestellt. Übergeordnet sei auf das European Covid-19 Data Portal verwiesen.
Um die Forschung im Bereich von Covid-19 voranzutreiben, stellt das Swiss National Super Computing Center (CSCS) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Recheninfrastruktur seiner Supercomputer zur Verfügung. Das CSCS, Teil der ETH Zürich und in Lugano angesiedelt, verfügt über einen der weltweit leistungsstärksten Supercomputer.
Das Schweizerische Institut für Bioinformatik (SIB) beteiligt sich mit speziellen Datendiensten an den weltweiten Bemühungen, den Wissensaustausch und das Verständnis zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie zu verbessern. Es stellt zum Beispiel gesammeltes, qualitativ bewertetes und verknüpftes Datenmaterial relevanter Studien und wissenschaftliche Literatur zur Covid-19-Forschung bereit. Zusätzlich bietet das SIB auch Analysemöglichkeiten für den epidemiologischen Verlauf der Pandemie sowie Planungsinstrumente, um Szenarien des öffentlichen Gesundheitswesens im Umgang mit Covid-19 zu prognostizieren, an. Diese Bemühungen werden auf europäischer Ebene durch das Netzwerk ELIXIR koordiniert.
Das European Molecular Biology Laboratory (EMBL) mit Hauptsitz in Heidelberg (D) unterstützt seine Mitgliedsländer, darunter die Schweiz, unter anderem mit Softwareprogrammen, die es erlauben, verschiedene Datensätze mit unterschiedlichen Aggregations-, Validierungs- und/oder Vollständigkeitsgraden über die jeweiligen Landesgrenzen hinaus zu nutzen und so von Synergien zu profitieren.
Die Swiss Clinical Trial Organisation (SCTO) ist eine Partnerorganisation des Forschungsnetzwerkes European Clinical Research Infrastructure Network (ECRIN ERIC). Die SCTO unterstützt Schweizer Forschende bei der Konzipierung und Durchführung nationaler klinischer Studien sowie zunehmend auch bei internationalen Multizenterstudien, an denen sich mehrere Forschungsinstitutionen in verschiedenen Ländern beteiligen. SCTO ist am europäischen Netzwerk ECRIN beteiligt. ECRIN hat eine eigene Covid-19 Task Force ins Leben gerufen. Mit dem neu eingerichteten Metadaten-Repositorium (Clinical Research Metadata Repository) versucht ECRIN, die Datenlage betreffend klinischen Studien allgemein und im Speziellen rund um Covid-orientierte klinische Studien zu verbessern.
Die Swiss Biobanking Platform (SBP) fungiert als nationale Referenz-Plattform für sogenannte biologische Ressourcen und deren systematischen Erfassung in allen Forschungsgebieten. Aktuell werden über SBP spezifische natürliche Ressourcen, Fachkenntnisse und Wissen im Zusammenhang mit Covid-19 gesammelt. SBP steht als Mitglied des Europäischen Forschungskonsortiums Biobanking and BioMolecular Resources Research Infrastructure (BBMRI ERIC) auch in engem Austausch mit der europäischen Forschungsgemeinschaft und deren Aktivitäten zu Covid-19.
Breites wissenschaftliches und technisches Fachwissen
Abgesehen von den Kompetenzen im Forschungsbereich ist in den grossen Infrastrukturen auch sehr breites wissenschaftliches und technisches Fachwissen vorhanden, das zur Bekämpfung des Virus eingesetzt wird. So stellt das CERN in Genf nun grosse Mengen Desinfektionsmittel für die lokalen Rettungskräfte her. Dank seiner Expertise und seiner Ausrüstungen kann es ausserdem Schutzmasken produzieren und Beatmungsgeräte entwickeln. Die Entwürfe der Beatmungsgeräte sollen unter einer freien Lizenz veröffentlicht werden, damit sie kostengünstig reproduziert und lokalen Vorschriften angepasst werden können. Doch nicht nur in Europa rüsten die Forschungsinfrastrukturen teilweise um und helfen mit bei der Bekämpfung des Coronavirus: In Südafrika wurde ein Partner des internationalen Riesenteleskop-Projekts Square Kilometre Array mit der Koordination der Entwicklung von Beatmungsgeräten beauftragt, weil er über viel Erfahrung im Projektmanagement und ein besonders geeignetes industrielles Netzwerk verfügt.
Weitere Informationen
Europäische und internationale Covid-19-Aktivitäten
Horizon 2020 – Ad-hoc-Ausschreibungen
Die Europäische Kommission hat seit Beginn der Covid-19-Krise mehrere spezifische Initiativen im Rahmen von Horizon 2020 gestartet. Es betrifft dies die Bereiche Epidemiologie, Prävention und Bekämpfung von Ausbrüchen, Entwicklung von Diagnostika, Therapien und Impfstoffen sowie Infrastrukturen und Ressourcen.
Bis Anfang Mai 2020 wurden drei zeitlich verschobene Ad-hoc- Ausschreibungen lanciert. Die erste erfolgte im Rahmen des Gesundheitsforschungsprogramms von Horizon 2020. Damit werden 17 Projekte gefördert, wobei an sechs dieser Projekte sieben Schweizer Forschungsinstitutionen beteiligt sind. Eine zweite Ausschreibung wurde im Rahmen des Programms IMI (Innovative Medicines Initiative) als Public-Private-Partnership mit Beteiligung der Pharmaindustrie lanciert. Die dritte Ausschreibung erfolgte durch den European Innovation Council (EIC).
Weiter wurde im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit ein Beitrag von 50 Millionen Euro für die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI) über das Arbeitsprogramm Horizon 2020 gesprochen.
Zusätzlich wurden Mittel in der Höhe von 25,25 Millionen Euro für die Partnerschaft Europas und der Entwicklungsländer im Bereich klinischer Studien (EDCTP) – ebenfalls über Horizon 2020 – bereitgestellt. Hier arbeiten die EU, 16 afrikanische und 14 europäische Länder zusammen, um die Forschung zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten in Subsahara-Afrika zu finanzieren.
Im Weiteren plant die EU die Bereitstellung von weiteren Mitteln:
- 450 Mio. Euro für die Entwicklung von wissenschaftlichen Lösungen zu Tests, Behandlung und Prävention gegen das Coronavirus und den Aufbau von Gesundheitssystemen (inkl. zusätzlicher Beitrag an CEPI)
- 400 Mio Euro für Finanzprodukte der Europäischen Investitionsbank (Access to Risk Finance for InnovFin Infectous Diseases)
- 150 Mio. Euro für Anschubfinanzierungen im Innovationsbereich (European Innovation Council’s Accelerator).
European Open Science Cloud mit Pilotprojekt
Die Europäische Kommission hat zusammen mit Partnerorganisationen ein europäisches Covid-19-Datenportal eingerichtet. Dieses ermöglicht der europäischen und globalen Forschungsgemeinschaft die schnelle Sammlung und umfassende gemeinsame Nutzung von Forschungsdaten aus verschiedenen Quellen. Die gemeinsame Initiative ist ein vorrangiges Pilotprojekt zur Verwirklichung der Ziele der European Open Science Cloud (EOSC).
Corona-Aktionsplan für den Europäischen Forschungsraum
Die Mitgliedsländer der Europäischen Union und assoziierte Staaten koordinieren bei der Bekämpfung des Coronavirus ihre Forschungs- und Innovationszusammenarbeit, um dadurch Synergien innerhalb der europäischen Forschungsgemeinschaft zu nutzen. Anfang April 2020 verständigten sich dazu die für Forschung und Innovation zuständigen Ministerinnen und Minister an einer Videokonferenz auf einen Corona-Aktionsplan für den Europäischen Forschungsraum («ERAvsCorona Action Plan»). Seitens der Schweiz nahm Staatssekretärin Martina Hirayama, Direktorin des SBFI, teil. Die Schweiz trägt die Massnahmen des «ERAvsCorona Action Plan» im Rahmen ihrer Beteiligung am Europäischen Forschungsraum mit.
Der Corona-Aktionsplan definiert einen Rahmen für die Koordination der verschiedenen Forschungs- und Innovationsmassnahmen im europäischen Forschungsraum. Er umfasst insgesamt zehn Massnahmen, die primär über Massnahmen bestehender Horizon 2020-Programmteile und -Initiativen umgesetzt werden. Der Aktionsplan soll von der Europäischen Kommission in Koordination mit den Mitgliedsländern und assoziierten Staaten aktualisiert werden.
Die Europäische Kommission hat drei Arbeitsgruppen eingesetzt, um die Umsetzung der im Aktionsplan aufgeführten Massnahmen weiter zu diskutieren. Das SBFI vertritt derzeit die Schweiz in den Arbeitsgruppen.
Die ERA-coronaplatform ist eine der zehn Massnahmen, die im «ERAvsCorona»-Aktionsplan vereinbart worden sind. Die Plattform ist eine zentrale Anlaufstelle, die umfassende Informationen über Fördermöglichkeiten im Zusammenhang mit dem Coronavirus auf europäischer und nationaler Ebene bietet. In Zusammenarbeit mit den Länderdelegationen enthält die Plattform einen eigenen Bereich für nationale Aktivitäten, Finanzierungsmöglichkeiten, Initiativen und Projekte in den Mitgliedstaaten und anderen europäischen Ländern und der Schweiz.
Teil des Massnahmenpakets war auch die erfolgreiche Durchführung eines sogenannten Pan-EU-Hackathons Ende April. Rund 21'000 Teilnehmende aus über 140 Staaten, darunter der Schweiz, wetteiferten gemeinsam um die Entwicklung von innovativen Lösungen im Kampf gegen das Coronavirus. Über 2000 Vorschläge aus verschiedensten Anwendungsgebieten wurden eingereicht. Unter den prämierten Arbeiten finden sich auch mehrere, an denen Personen aus der Schweiz mitgewirkt haben.
#UnitedAgainstCoronavirus – Coronavirus Global Response
Die Europäische Union und ihre Partner haben am 4. Mai 2020 einen internationalen Pledging-Marathon (Geberkonferenz) gestartet, der bis Ende Mai läuft. Dabei sollen mindestens 7 Milliarden EURO mobilisiert werden, um die gemeinsame Entwicklung und weltweite Bereitstellung von Diagnostika, Behandlungen und Impfstoffen gegen das Coronavirus zu finanzieren. Seitens der Schweiz nahm Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga an der Eröffnung teil. Die Schweiz kündigte an, Mittel in der Höhe von 350 Millionen CHF bereitzustellen.
Weiterführende Informationen
Neues Coronavirus – Informationen des SBFI
Das fortlaufend aktualisierte Internet-Spezialdossier informiert über die Auswirkungen, die die Coronavirus-Pandemie auf verschiedene Tätigkeitsbereiche des SBFI haben.
Projektregister zur Covid-Forschung
Der Schweizerische Nationalfonds hat ein Projektregister zur Covid-Forschung erstellt, das im Mai lanciert worden ist. Darin sind alle durch Drittmittel finanzierten Forschungsarbeiten durch den SNF, aber auch der Innosuisse und EU-Projekte erfasst.
Monitoring der OECD
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) unterhält ein Monitoring zu Covid-Aktivitäten in den einzelnen Ländern, darunter auch in der Schweiz.