Bedeutung der EU-Rahmenprogramme für Forschung und Innovation

Am Beispiel der Schweizer Beteiligung an der internationalen Forschung zu Covid-19

Seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie im Dezember 2019 konnten in der Forschung und Innovation wichtige Erfolge zur Eindämmung des Coronavirus erzielt werden. Nicht zuletzt dank internationaler Zusammenarbeit, die unabdingbar ist, um solche globalen Herausforderungen zu bewältigen. Einerseits wurden Aktivitäten auf nationaler und internationaler Ebene zu Beginn der Pandemie rasch koordiniert und aufeinander abgestimmt. Andererseits wurden im Kontext der Europäischen Rahmenprogramme für Forschung und Innovation zahlreiche Initiativen lanciert, um an gemeinsamen Forschungsprojekten zu arbeiten. Auch Schweizer Institutionen sind in mehrere Projekte involviert.

Durch die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik auf multilateraler Ebene können gemeinsam Lösungen für aktuelle globale Herausforderungen entwickelt werden. Dies erfolgt auf europäischer Ebene einerseits durch die Förderung der Forschung und Innovation mittels Lancierung von gemeinsamen Initiativen innerhalb des Europäischen Forschungsraums (EFR). Andererseits hat die Europäische Kommission im Kontext der EU-Rahmenprogramme für Forschung und Innovation – Horizon 2020 und Horizon Europe – mehrere spezifische Ausschreibungen veröffentlicht.

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Das europäische Covid-19 Data Portal erleichtert den Austausch und die Analyse verschiedener Forschungsdaten zu Covid-19 und beschleunigt so die Forschung zur Bekämpfung der Pandemie.

Politische Ebene und Europäischer Forschungsraum

Der EFR hat für Europas Forschung und Innovation eine ähnliche Bedeutung wie der Europäische Binnenmarkt für Europas Wirtschaft. Ziel ist es, die Forschungssysteme in Europa zukunftssicher zu machen, Ressourcen zu bündeln und kohärente Rahmenbedingungen für Forschende und Innovatoren zu schaffen, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu gewährleisten. So sollen Forschende von transnationaler Mobilität profitieren und wissenschaftliche Erkenntnisse und Technologien grenzübergreifend ausgetauscht werden. Die Schweiz teilt die Ziele des EFR und beteiligt sich direkt an deren Erreichung.

Das SBFI koordiniert dabei die Teilnahme an den verschiedenen Ausschüssen und Initiativen zur Schaffung des EFR. Um bei der Bekämpfung des Coronavirus innerhalb des EFR Synergien zu nutzen, verständigten sich die für Forschung und Innovation zuständigen Ministerinnen und Minister Anfang April 2020 per Videokonferenz auf einen Corona-Aktionsplan (ERAvsCorona Action Plan), auf den sich die in diesem Artikel beschriebenen Initiativen stützen. Seitens der Schweiz nahm Staatssekretärin Martina Hirayama, Direktorin des SBFI, teil. Die Schweiz hat im Rahmen ihrer Beteiligung am EFR und den EU-Rahmenprogrammen direkt zu den Massnahmen des ERAvsCorona Action Plan beigetragen.

Offenes Datenportal

Innerhalb des EFR haben europäische Forschungsgemeinschaften das European Covid-19 Data Portal gegründet, welches ihnen eine gemeinsame Nutzung verschiedener Forschungsdaten mit Bezug zu Covid-19 ermöglicht. Ein rascher und offener Datenaustausch beschleunigt den Gewinn von neuen Erkenntnissen, was angesichts einer Pandemie unerlässlich ist. Diese gemeinsame Anstrengung ist ein vorrangiges Pilotprojekt zur Realisierung der European Open Science Cloud (EOSC). Deren Ziel ist der Aufbau einer offenen Plattform zum Austausch von Forschungsdaten, die Forschende in ganz Europa nutzen können. Die Schweiz beteiligt sich in der Gestaltung der EOSC durch ihre Teilnahme in verschiedenen Gremien und Arbeitsgruppen.

Challenge #EUvsVirus

Eine andere Brücke zwischen Wissenschaft und Politik bildete der Covid-19 Matchathon namens #EUvsVirus. Dieser brachte im Mai 2020 Zivilgesellschaft, Forschende, Partner und Investoren aus ganz Europa zusammen, um innovative Lösungen für die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Pandemie zu entwickeln. Dadurch wurde die Entstehung von über 2200 neuen europaweiten Partnerschaften gefördert, indem die besten 120 Teams mit gut 450 unterstützenden Partnern aus dem öffentlichen und privaten Sektor vernetzt wurden. In diesen paneuropäischen Teams wurden zahlreiche Teilnahmen aus der Schweiz verzeichnet.

Diese durch den EFR etablierte Förderung der transnationalen Kooperation, des Wissenstransfers und des offenen Zugangs zu Forschungsdaten und -resultaten trägt zu einer effizienten Covid-19-Forschung bei.

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Bei der Bewältigung der Corona-Pandemie ist länderübergreifende Forschungszusammenarbeit besonders wichtig. Ein Beispiel dafür ist die über Horizon 2020 finanzierte Studie Initiative Solidarity PLUS clinical trial. Daran beteiligten sich Tausende von Forschenden in über 600 Krankenhäusern in rund 50 Ländern einschliesslich der Schweiz. Bild: Adobe Stock

EU-Rahmenprogramme für Forschung und Innovation

Das wichtigste Förderinstrument des EFR sind die Rahmenprogramme für Forschung und Innovation der Europäischen Union. Forschende in der Schweiz beteiligen sich seit 1988 an diesen Programmen, entweder im Status der Schweiz als nicht assoziiertes Drittland oder als assoziiertes Land. Das SBFI definiert die strategischen und operativen Massnahmen für die Beteiligung der Schweiz an den EU-Rahmenprogrammen. Im Kontext dieser Programme wurden innert kürzester Zeit zahlreiche Initiativen lanciert, um die grenzüberschreitende Forschung und Innovation zum Thema Covid-19 zu fördern und umzusetzen. Die Länder des EFR und die Europäische Kommission haben in diesem Sinne gemeinsam beschlossen, im Rahmen von Horizon 2020 (2014–2020) und Horizon Europe (2021–2027) spezifische Ausschreibungen zur medizinischen Bekämpfung von SARS-CoV-2 zu veröffentlichen:

  • Am 4. Mai 2020 kündigte die Kommission an, eine Milliarde Euro aus Horizon 2020 in die Forschung und Innovation zur Bekämpfung der Pandemie zu investieren. Dafür wurden im März und August 2020 zwei Ad-hoc Ausschreibungen in den Bereichen Epidemiologie, Prävention und Bekämpfung von Ausbrüchen sowie Entwicklung von Diagnostika, Therapien und Impfstoffen publiziert. Sieben Schweizer Partner nehmen teil an sechs der insgesamt 18 Projekte mit einem Gesamtbudget von knapp 50 Millionen Euro. Einige dieser Projekte erzielten bereits erste Ergebnisse. Als Resultat der zweiten Ad-hoc Ausschreibung mit einem Budget von knapp 130 Millionen Euro sind fünf Schweizer Partner in fünf von 23 Projekten beteiligt.
     
  • Darüber hinaus wurden gut 115 Millionen Euro an Mitteln für zusätzliche Forschung im Rahmen der Innovative Medicine Initiative (IMI), einer von der Kommission und der Pharmaindustrie initiierten öffentlich-privaten Partnerschaft, bereitgestellt. Zehn Schweizer Partner beteiligen sich an drei der acht Forschungsprojekte mit Schwerpunkt Diagnostik und Behandlung.
     
  • Im Rahmen des Accelerator des Europäischen Innovationsrats wurden zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie am Cut-Off des 20. März 2020 insgesamt 166  Millionen Euro für Projekte von 36 Unternehmen, darunter vier Schweizer Firmen, bereitgestellt.
     
  • Ein weiteres Beispiel der länderübergreifenden Nutzung von Ressourcen in der medizinischen Forschung ist die über Horizon 2020 finanzierte Initiative Solidarity PLUS clinical trial der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation, WHO). Diese klinische Studie stellt die grösste globale Zusammenarbeit zwischen WHO-Mitgliedstaaten dar. Beteiligt sind Tausende von Forschenden in über 600 Krankenhäusern in rund 50 Ländern einschliesslich der Schweiz. Aufgrund der hohen Zahl an teilnehmenden Patientinnen und Patienten und der standardisierten Behandlung können zuverlässige Schätzungen über die Auswirkungen eines Medikaments gewonnen werden. Ausserdem können im Verlauf der Studie neue Behandlungsansätze erprobt werden.
     
  • Schweizer Partner spielen auch eine wichtige Rolle in den am 7. April 2021 ausgeschriebenen Horizon Europe-Projekten mit einer Gesamtförderung von 120 Millionen Euro zur dringenden Erforschung von Varianten des Coronavirus. Schweizer Partner sind an sechs der elf ausgewählten Projekte beteiligt und übernehmen bei zwei die federführende Rolle. So koordiniert das Centre Hospitalier Universitaire Vaudois (CHUV) das EU-Afrika Projekt CoVICIS im Bereich Virusvarianten und immunologische Überwachung. In diesem Projekt arbeiten 14 Partner aus Deutschland, Äthiopien, Frankreich, Italien, den Niederlanden und Südafrika zusammen. Das Schweizer Unternehmen MetrioPharm AG koordiniert das Projekt iMPact, bei dem drei Partner aus Österreich, Deutschland und den Niederlanden einen antiviralen Wirkstoff zur Behandlung von SARS-CoV-2 entwickeln.
     
  • Die Schweiz beherbergt, finanziert oder unterstützt des Weiteren aktiv mehrere Forschungsinfrastrukturen, die zur Bekämpfung des Coronavirus zusätzliche Dienstleistungen erbringen und bedeutende Beiträge leisten, beispielsweise Anlagen für Röntgenstrahlen hoher Intensität oder das Swiss National Super Computing Center.

Die aktuelle Pandemie zeigt, dass manche gesellschaftlichen Herausforderungen nur gemeinsam gelöst werden können und dass Forschung und Innovation in ihrer Substanz grenzüberschreitende Zusammenarbeit und partnerschaftliche globale Vernetzung erfordern.

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