Die Teilnahme an den EU-Rahmenprogrammen für Forschung und Innovation (RPFI) ermöglicht den Schweizer Akteuren aus Forschung und Innovation die Integration in das internationale kompetitive Umfeld. Die Bedeutung der RPFI reicht dabei über die rein monetäre Förderung hinaus. Eine Auswahl von Schweizer Erfolgsgeschichten finden Sie auf dieser Seite.
- Eine uralte Kraft effizienter nutzen
- Der 3D-Drucker mit einem Laser aus dem Schuhkarton
- Geringere Stickstoffemissionen dank einheimischer Futterpflanzen
- TABULA RASA in der Welt der biometrischen Systeme
- Prioritäten von Sozialstaaten – Hilfe bei der Kompromissfindung
- Neue Wege zur Bekämpfung der Wasserverschmutzung
- Gesundes Altern für alle
- Sichere Daten in der Cloud
Eine uralte Kraft effizienter nutzen
- Hydropower plants PERformance and flexiBle Operation towards Lean integration of new renewable Energies
- Projektdauer: 09/2013 – 02/2017
- Anzahl Projektpartner: 10, Anzahl Länder: 6
- Gesamtbudget: € 6'294'644, Budget CH Partner: € 1'628'270
Die Geschichte der Wasserkraft geht weit zurück. Historikerinnen und Historiker schätzen, dass sie bereits vor 5000 Jahren in China zur Anwendung kam. 1866 gelang es Werner von Siemens erstmals, Wasserkraft in elektrischen Strom umzuwandeln. 1880 folgte dann die erste Inbetriebnahme eines Wasserkraftwerkes in Grossbritannien. Die Bedeutung der Wasserkraft als Stromlieferant hat seither zugenommen, nicht zuletzt durch ihr unerschöpfliches Potenzial als erneuerbare Energiequelle. Kürzlich hat die EU eine Richtlinie erlassen, welche eine massive Erhöhung der Nutzung erneuerbarer Energiequellen vorsieht. Die Wasserkraftwerke werden eine wesentliche Rolle spielen müssen, um diese ehrgeizigen Vorgaben zu erreichen.
«Dank der Finanzierung durch die EU war es möglich, eine internationale Zusammenarbeit zwischen Schlüsselakteuren aufzubauen.»
Professor François Avellan
ETH Lausanne (EPFL)
Hier setzte das Projekt «Hyperbole» an. Dessen Ziel war es, die Arbeitsleistung von hydroelektrischen Kraftwerken zu erhöhen und deren Langzeitverfügbarkeit zu verbessern. Dazu sollte die Dynamik der verschiedenen hydroelektrischen Maschinensätze in diesen Wasserkraftwerken unter Einbezug aller hydraulischen, mechanischen und elektrischen Aspekte optimiert werden. Unter der Koordination von Prof. François Avellan der ETH Lausanne (EPFL) formierte sich ein Konsortium aus Hochschulen, führenden Wasserkraftturbinenherstellern sowie eines KMU. Das Konsortium führte zur Optimierung der Funktionsweise der Wasserkraftturbinen Versuche vor Ort sowie an einem verkleinerten Modell durch und nutzte zudem digitale Simulationen von echten Wasserkraftturbinen.
Das Projekte «Hyperbole» erbrachte eine beeindruckende wissenschaftliche Leistung in Form von Veröffentlichungen und Doktorarbeiten. An der EPFL entstanden beispielsweise vier Doktorarbeiten, womit die Aufgabe der Ausbildung wissenschaftlicher und technischer Fachkräfte erfüllt wird, die für die Industrie und die öffentliche Hand benötigt werden. Zudem ist im Rahmen des Projekts die erste wirtschaftliche Studie entstanden, die aufzeigt, wie die Rentabilität von Pumpspeicherkraftwerken sichergestellt wird, indem ihr Betriebsbereich erweitert wird. Laut Prof. François Avellan hat das Projekt «Hyperbole» massgeblich zur Entwicklung und Integration erneuerbarer Energiequellen beigetragen. Es leistet so einen Beitrag, um die strategischen Ziele der EU in ihrer Agenda 2020 zu erreichen. Ausserdem stellen die im Projekt entwickelten Maschinen und Verfahren einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil für die europäischen Lieferanten von Wasserkraftausrüstungen dar. Sie ermöglichen es den Industriepartnern im Projekt, ihren Anteil am Weltmarkt zu verteidigen oder sogar auszubauen. Die Installation neuer und sanierter Wasserkraftanlagen sowie die Entwicklung erneuerbarer Energiequellen stellen ein äusserst interessantes Geschäftspotenzial dar.
Aus Schweizer Sicht festigte das Projekt die Sichtbarkeit des EPFL-Labors von Prof. François Avellan als eines der weltweit führenden Forschungslabore auf dem Gebiet der Turbinen und Pumpenturbinen für Wasserkraftanlagen. Letztlich wird die Beteiligung des Labors für hydraulische Maschinen an den beiden Schweizer Kompetenzzentren in Energieforschung SCCER «SoE» und «Furies» über das aus dem Projekt gewonnene Wissen auch einen Beitrag zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 des Bundes leisten.
Der 3D-Drucker mit einem Laser aus dem Schuhkarton
- Femtosecond laser printer for glass microsystems with nanoscale features
- Projektdauer: 05/2010 – 04/2013
- Anzahl Projektpartner: 9, Anzahl Länder: 5
- Gesamtbudget: € 3'391'780, Budget CH Partner: € 161'699
«Ich bin dankbar für die europäischen Rahmenprogramme. Ohne diese gäbe es das Unternehmen FEMTOprint nicht», meint Mitgründerin und CEO Nicoletta Casanova. FEMTOprint SA ist ein mehrfach ausgezeichnetes, aufstrebendes Tessiner Hightech-Unternehmen und beschäftigt aktuell rund 20 Fachleute.
«Der Erfolg von FEMTOprint ist ein Ansporn für die Tessiner Unternehmen, sich an EU-Projekten zu beteiligen oder sich dafür zu bewerben. Sie werden dabei durch Tessiner Institutionen unterstützt.»
Nicoletta Casanova
Mitgründerin und CEO
FEMTOprint SA
Im Forschungsprojekt «Femtoprint» ging es darum, einen 3D-Drucker für aus Glas gefertigte Kleinstgeräte, sogenannte Mikrosysteme, zu entwickeln. Dabei sollte der Drucker unterschiedlichsten Anwendern aus Forschungszentren, Kleinunternehmen und Hochschulen die Möglichkeit geben, auf schnelle Art und Weise eigene Mikrosysteme herzustellen, ohne dafür teure Infrastrukturen oder spezielle Fachkenntnisse zu benötigen.
«Die entwickelte Technologie wird bei FEMTOprint laufend weiterentwickelt und eröffnet interessante neue Möglichkeiten für eine Vielzahl von Mikrosystemen mit Auflösungen bis in den Nanometerbreich», so Nicoletta Casanova. Der Femtoprinter kann mittels ultrakurzen, nur Femtosekunden langen Laserpulsen Glas so bearbeiten, dass sich daraus beliebige Teile mit speziellen mechanischen, fluidischen oder optischen Funktionalitäten auf monolithische Weise «drucken» lassen. Die Anwendungen eines solchen Druckers sind sehr vielseitig, denn Glas hat als Material sehr viele nützliche Eigenschaften. Es ist zum Beispiel biokompatibel, sehr stabil, unempfindlich gegenüber elektromagnetischen Feldern, durchsichtig und bei einer Verkleinerung auf Mikrometergrösse sogar biegsam. So lassen sich dank dem Femtoprinter verschiedenste präzise Geräte herstellen, die beispielsweise in der Uhrenindustrie, in der Optik sowie im Biotech- oder im Telekommunikationsbereich einsetzbar sind. Dabei besticht der Drucker nicht nur durch seine Leistungsfähigkeit, sondern auch durch seine Kompaktheit: Die Originalversion seines Lasers war nicht grösser als ein Schuhkarton.
Neben der technologischen Entwicklung stellte die Erarbeitung eines soliden Geschäftsplanes für die Kommerzialisierung der Technologie Femtoprint ein weiteres Ziel des dreijährigen Projektes dar. Die Problematik des geistigen Eigentums stellt dabei oftmals ein grosses Hindernis dar, wenn es in einem Spin-off-Unternehmen um die Umsetzung von Projektergebnissen geht. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass verschiedene Partner aus unterschiedlichen Ländern Ansprüche auf die Projektergebnisse haben. Das Konsortium des Projekts «Femtoprint» löste dieses Dilemma folgendermassen: Unter den Projektpartnern wurde ein Wettbewerb um die beste Geschäftsidee lanciert. «Wer den Wettbewerb gewinnt, erhält die exklusiven Rechte für die Nutzung der entwickelten Technologie», erklärt Nicoletta Casanova die damalige Abmachung. Als Unternehmerin mit Start-up-Erfahrung spielte sie im Siegerteam eine wesentliche Rolle.
Obwohl die Entwicklung des Femtoprinters das Hauptziel des Projektes darstellte, gingen aus der Technologieentwicklung auch andere kommerzielle Produkte hervor. Diese werden entweder durch andere Projektteilnehmer vertrieben oder sind an europäische Unternehmen in Lizenz vergeben worden.
Auch für das Unternehmen FEMTOprint geht die Reise weiter, wie Nicoletta Casanova festhält. «Wir sind bestrebt, die technologische Plattform Femtoprint kontinuierlich weiterzuentwickeln und bewerben uns regelmässig um EU-Projekte oder werden häufig von Hochschulen oder Unternehmen für Beteiligungen an gemeinsamen Forschungsprojekten kontaktiert.»
Geringere Stickstoffemissionen dank einheimischer Futterpflanzen
- Optimising plant polyphenols in LEGUMES for ruminant nutrition PLUS health PLUS environ-mental sustainability
- Projektdauer: 01/2012 – 12/2015
- Anzahl Projektpartner: 8, Anzahl Länder: 6
- Gesamtbudget: € 4'097'982, Budget CH Partner: € 751'172
Globale Herausforderungen wie der Klimawandel und das rasante Bevölkerungswachstum gefährden die langfristige Sicherstellung einer ausreichenden Lebensmittelversorgung. Eine Möglichkeit, diese Bedrohung zu beheben, bietet sich bei Wiederkäuern in Form einer effizienteren Futtermittelproduktion und -nutzung. Dass man dabei das Rad nicht immer neu erfinden muss, zeigt das 2012 lancierte Projekt «LegumePlus» aus dem europäischen Forschungsrahmenprogramm.
«Ein solches Projekt ist eine ideale Plattform für internationale, branchenübergreifende und interdisziplinäre Kooperationen.»
Dr. Frigga Dohme-Meier
Forschungsgruppenleiterin am Forschungsinstitut Agroscope
«Das Projekt half, das Potenzial von tanninhaltigen Futterleguminosen wie Esparsette für die Tierproduktion wiederzuentdecken», fasst Dr. Frigga Dohme-Meier, Forschungsgruppenleiterin am Forschungsinstitut Agroscope, zusammen. Die einheimische Pflanze Esparsette zählt zu den Hülsenfrüchten. Sie kann Luftstickstoff binden und so Dünger ersetzen, liefert sehr proteinreiches Raufutter und enthält Tannine. Sie ist heute allerdings fast vergessen. Die Forschenden konnten aufzeigen, dass Esparsette im Vergleich zu nicht tanninhaltigen Futterpflanzen zu weniger Stickstoff- emissionen in die Umwelt sowie zu einer aus Sicht der Humanernährung verbesserten Zusammensetzung von Milch und Fleisch von Wiederkäuern führt. Die Fähigkeit der Leguminosen durch Eingriff in das Verdauungssystem der Tiere Treibhausgasemissionen zu verringern sowie deren umwelt- und ressourcenschonender Anbau erlauben ausserdem eine nachhaltigere Produktion von einheimischen Futterproteinen. Basierend auf diesen Projektergebnissen hat Agroscope eine neue Esparsette-Saatgutmischung entwickelt, die nun den Landwirten für die Futterproduktion zur Verfügung steht.
Laut Dr. Frigga Dohme-Meier waren unter anderem die starke Vernetzung unter den Forschenden sowie der bereichsübergreifende und interdisziplinäre Ansatz des Projektes erfolgsweisend. Dadurch war eine globale Betrachtung des Problems wie auch des Lösungsweges möglich. Das Projekt wurde über das Marie-Skłodowska-Curie Programm finanziert. Dieses Förderinstrument ist Teil der europäischen Rahmenprogramme und speziell auf die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ausgerichtet. «Die Förderung der jungen Forschenden war für die Betreuerinnen und Betreuer eine sehr stimulierende Erfahrung», meint Dr. Frigga Dohme-Meier. Die Doktorandinnen und Doktoranden erhielten eine finanziell gut dotierte und qualitativ hochstehende Betreuung. Auch hatten sie Gelegenheit, an internationalen Projekttreffen teilzunehmen und während sechs Monaten europaweit in Forschungsgruppen Erfahrungen in verschiedenen Disziplinen zu sammeln.
Die positiven Auswirkungen zeigen sich auch nach Projektende. Erfreulicherweise wächst das Forschungsnetzwerk weiter. Da die ehemaligen Doktorandinnen und Doktoranden neue Positionen auf Postdoc-Stufe in europäischen Forschungsgruppen erhalten haben, entstehen neue interessante Kontakte und Zusammenarbeitsmöglichkeiten. Ausserdem wurde die Thematik in ein Agroscope Forschungsprogramm (REDYMO) aufgenommen, um die Wechselwirkung zwischen den Tanninen und dem Darmmikrobiom weiter zu untersuchen. Dabei soll die antibakterielle Wirkung dieser Substanzen genutzt werden, um die Verwendung von Antibiotika bei Tieren zu reduzieren.
TABULA RASA in der Welt der biometrischen Systeme
- Trusted Biometrics under Spoofing Attacks
- Projektdauer: 11/2010 – 04/2014
- Anzahl Projektpartner: 12, Anzahl Länder: 7
- Gesamtbudget: € 5'567'257, Budget CH Partner: € 737'886
Was man vor Jahren nur aus Filmen kannte, ist heute fester Bestandteil des realen Lebens: Geräte mit Sprach- sowie Gesichtserkennung sind weitverbreitet. Ob Smartphones, Tablets oder Reisepässe, sie alle enthalten persönliche und vertrauliche Informationen, die durch ein biometrisches System geschützt werden. Es gibt jedoch immer noch einige Schwachstellen bei biometrischen Sensoren. Dadurch sind Täuschungsangriffe unter Verschleierung der eigenen Identität möglich (sogenannte Spoofing-Angriffe). Beispielsweise wird versucht, mit fremden Fotos oder Masken ein Gesichtserkennungssystem zu umgehen.
«TABULA RASA führte zu vielen Folgeprojekten, die im Rahmen des 7. RPFI und Horizon 2020 sowie von nationalen Förderagenturen in ganz Europa unterstützt wurden.»
Dr. Sébastien Marcel
Forschungsinstitut Idiap
Martigny (VS)
Ziel des Projekts «TABULA RASA», koordiniert durch Dr. Sébastien Marcel vom Forschungsinstitut Idiap in Martigny (VS), war es einerseits, bei diesen biometrischen Systemen so viele Schwachstellen wie möglich zu erforschen. Andererseits ging es darum, entsprechende Gegenmassnahmen zu entwickeln wie zum Beispiel das Kombinieren biometrischer Merkmale für den Datenzugriff. Schliesslich wollte man mit dem Projekt eine neue Generation sicherer biometrischer Technologien entwickeln, welche direkten Spoofing-Angriffen widerstehen können. Um diese Ziele zu erreichen, wurden bisher wenig gebräuchliche biometrische Daten untersucht wie beispielsweise die menschliche Gangweise sowie Venen oder elektrophysiologische Signale wie der Herzschlag. Dabei wurden die Vor- und Nachteile der verschiedenen Daten ermittelt.
Im Rahmen des Projekts «TABULA RASA» sind die allerersten harmonisierten Evaluierungsmethoden und Bewertungssysteme entwickelt worden. Diese werden heute nicht nur von vielen Biometrie-Forschenden verwendet, sondern haben auch zur Festlegung von Normen wie der Norm ISO / IEC 30107 beigetragen.
Die aus dem Projekt hervorgegangenen Veröffentlichungen, Datensätze, Algorithmen und Bewertungsmethoden änderten die Denkweise der Branche. Das fundierte Wissen über die Spoofing-Angriffe ermöglichte es der europäischen Industrie, ihre Führungsposition zu festigen, in dem sie die Konzeption künftiger spoofing-resistenter biometrischer Sensoren verbesserte und damit das enorme Potenzial der biometrischen Technologie erschliessen konnte. Auch weltweit schlug das Projekt Wellen: So entwickelte Apple aufgrund der Erkenntnisse des Projekts eine sicherere Variante seines Gesichtserkennungssystems (iPhone X FaceID).
Die verbesserten Systeme bieten nicht nur sicherere Geräte und Informationen, sondern auch schnellere Anmeldungen bei IT-Geräten oder schnellere und genauere Grenzkontrollen. «Wir glauben, dass viele verschiedene Organisationen an unserer Forschung interessiert sein werden, darunter Technologieunternehmen, Postunternehmen, Banken, Hersteller von mobilen Geräten oder Online-Dienstanbieter», so Dr. Sébastien Marcel. Auch der schweizerische Industriepartner, das Unternehmen KeyLemon, konnte vom Projekt langfristig durch Know-how und die Schaffung von Arbeitsplätzen profitieren.
Das Projekt «TABULA RASA» hat einen langfristigen Einfluss auf die Forschungsgruppe von Dr. Sébastien Marcel: «Im Anschluss an dieses Projekt erhielten wir viele weitere Projekte zum Thema Spoofing. Unsere Forschungsgruppe konnte auch an vertraulichen Projekten von grossen Unternehmen und an der Verbesserung oder Bewertung von Erkennungstechniken für biometrische Täuschungsangriffen mitarbeiten.» Als Folge unterstützten der Kanton Wallis und die Stadt Martigny die Gründung des «Schweizerischen Forschungs- und Bewertungszentrums für Biometrische Sicherheit». Dessen Ziel ist es, biometrische Testaktivitäten und insbesondere deren Zertifizierung zu entwickeln. Dabei ist die Forschungsgruppe «Biometrics Security and Privacy» des Idiap inzwischen weltweit für ihre Pionieraktivitäten bei der Erkennung biometrischer Attacken bekannt.
Prioritäten von Sozialstaaten – Hilfe bei der Kompromissfindung
- Welfare state politics under pressure: Identifying priorities, trade-offs and reform opportunities among citizens, political and economic elites
- Projektdauer: 09/2017 – 08/2022
- Anzahl Projektpartner: 1, Anzahl Länder: 1
- Gesamtbudget: € 1'474'133, Budget CH Partner: € 1'474'133
Wenn man den Gürtel enger schnallen muss, ist die Politik des Sozialstaates mit schwierigen Entscheidungen und Kompromissen konfrontiert: Wessen Risiken sollten bei beschränkten Ressourcen von der sozialen Solidarität abgesichert werden? Soll der Sozialstaat den Bedürfnissen der älteren oder der jüngeren Menschen Priorität einräumen? Denen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder von Arbeitslosen? Denen von Einheimischen oder von Einwandererinnen und Einwanderern?
«Das Projekt hat bereits im Anfangsstadium grosses Interesse bei politischen Parteien und Entscheidungsträgerinnen und -trägern sowie den Medien geweckt.»
Prof. Dr. Silja Häusermann
Universität Zürich
Wie die Länder diese Schlüsselfragen beantworten, hängt von den Prioritäten der Bürgerinnen und Bürger sowie der politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgerinnen und -träger ab. Man weiss jedoch noch sehr wenig über diese Prioritäten, ihre Einflussfaktoren und noch weniger über die Mechanismen, welche soziale Solidarität fördern und Kompromisse ermöglichen, welche über das Eigeninteresse hinausgehen.
Hier setzt das vom Europäischen Forschungsrat (ERC) geförderte Projekt «Welfarepriorities» unter der Leitung von Prof. Dr. Silja Häusermann der Universität Zürich an. Durch innovative theoretische und methodische Wege sollen neue Einsichten in die politischen Koalitionen und Konfliktlinien, die die Sozialpolitik im 21. Jahrhundert prägen, erlangt werden. Zudem sollen neue quantifizierende Ansätze zur Messung der Präferenzen und Prioritäten der verschiedenen Akteure entwickelt und validiert werden, um so eine Datenbasis zu Prioritäten der Bürgerinnen und Bürger sowie der politischen Parteien zu erlangen. Dadurch sollen wichtige Kenntnisse erlangt werden zur Machbarkeit bestimmter Reformen – wie z.B. der Förderung von frühkindlicher Bildung oder der Sicherung der Altersrenten – sowie über die Art der Sozialpolitik, die bei bestimmten Wählerinnen und Wählern Anklang findet. Die Erkenntnisse sollen insgesamt dazu beitragen, für die Gesamtbevölkerung politisch tragfähige Kompromisse zu finden.
«Durch die weitreichende Sichtbarkeit, die ein ERC-Stipendiat sowohl innerhalb der eigenen Universität als auch in der Forschungsgemeinschaft hat, gelangt die Forschung auf den Radar vieler Akteure, die sie sonst vielleicht nicht bemerkt hätten», so Prof. Dr. Silja Häusermann. In ihrem Fall trug dies dazu bei, dass sie das Projekt einerseits bereits an zahlreichen Konferenzen im In- und Ausland vorstellen durfte. Andererseits wurde sie auch zur Teilnahme an verschiedenen kollektiven Forschungsanträgen nationaler und internationaler Konsortien und zum Einsitz in verschiedene akademische Beiräte eingeladen sowie für Aufgaben ausserhalb des akademischen Bereichs angefragt, beispielsweise für Beratungsgremien von Think-Tanks und Sozialversicherungsorganisationen. Obwohl das Projekt erst im Herbst 2017 begonnen hat, fanden erste Ergebnisse bereits Anklang in den Medien und der Öffentlichkeit sowie bei politischen Parteien und Entscheidungsträgerinnen und -trägern, z.B. in Form eines Beitrags an einem Treffen der deutschsprachigen Sozialministerinnen und -minister. Prof. Dr. Silja Häusermann sieht auch über die wissenschaftlichen Erkenntnisse und deren Auswirkungen auf die Wohlfahrtspolitik hinaus nur Vorteile in einem ERC Projekt. «Ein ERC-Stipendium bietet die Zeit und die Ressourcen, um alle wissenschaftlichen Bestrebungen anzugehen, die man verfolgen möchte. Es ist, als würde man in einem perfekten Teich schwimmen.»
Neue Wege zur Bekämpfung der Wasserverschmutzung
- Microorganism and enzyme Immobilization: Novel Techniques and Approaches for Upgraded Remediation of Underground-, wastewater and Soil
- Projektdauer: 01/2011 – 12/2013
- Anzahl Projektpartner: 16, Anzahl Länder: 8
- Gesamtbudget: € 3'914'682, Budget CH Partner: € 494'137
Industrie, Landwirtschaft und der moderne Lebensstil hinterlassen Spuren in der Umwelt. So finden sich beispielsweise Industriechemikalien, Arzneimittelrückstände und Körperpflegeprodukte fast überall im Wasserkreislauf. Entsprechend enthält das Abwasser aus Haushalten und Industrie Arzneimittel wie Antibiotika, Hormone und organische Verbindungen. Dies stellt nicht nur eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier dar, sondern gefährdet in einigen Teilen der Welt auch die Versorgung der Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser.
«Die Teilnahme an europäischen Projekten sowie Koordinationen sind ausserordentlich nützlich, um die Sichtbarkeit unserer Forschung zu erhöhen.»
Prof. Philippe Corvini
Leiter des Instituts für Ecopreneurship an der Hochschule für Life Sciences FHNW
Das Projekt «MINOTAURUS» nahm dieses Problem auf. Das europäische Verbundprojekt wurde an der Hochschule für Life Sciences der Fachhochschule Nordwestschweiz (FNHW) durch Prof. Philippe Corvini und Prof. Thomas Wintgens koordiniert. Prof. Corvini, seit 2007 Leiter des Instituts für Ecopreneurship an der FHNW, unterstreicht, wie wichtig die Teilnahme an Projekten des europäischen Rahmenprogramms (RPFI) für ein junges Institut wie seines sind: «Die RPFI-Projekte haben uns national und international Visibilität gegeben. Sie haben dazu beigetragen, uns als eine weltweit anerkannte Institution im Bereich der Umwelt- und Wassertechnologien etablieren zu können.»
Das Projekt «MINOTAURUS» zeigte auf, dass sich biologische Wasseraufbereitungsmethoden wie die sogenannte Bioremediation hervorragend eignen, um den Schadstoffgehalt im Wasser zu reduzieren. Bei der Bioremediation handelt es sich um Prozesse, bei denen Mikroorganismen oder andere lebende Organismen (z.B. Pflanzen oder Algen) eingesetzt werden, um verschmutztes Wasser sowie Belastungen in Boden und Luft wieder in einen gesunden Zustand zu versetzen. Dabei können entweder ganze Zellen oder nur Bestandteile davon, sogenannte Enzyme, verwendet werden. Als Enzym kann man sich ein biologisches Makromolekül vorstellen, das als eine Art Katalysator eine chemische Reaktion beschleunigen kann wie zum Beispiel den Abbau eines Schadstoffes.
Das Projekt «MINOTAURUS» untersuchte, ob durch die Immobilisierung von Biokatalysatoren der Abbau von Schadstoffen auf biologische Weise intensiviert werden kann. Dazu identifizierten oder isolierten die Forschenden für verschiedene Zielverbindungen geeignete Biokatalysatoren (Enzyme, Bakterien oder einen Mix von Mikroorganismen). Sie konnten dabei erstmals aufzeigen, dass sich Bakterien unter bestimmten Bedingungen von Antibiotika ernähren und somit auch für deren Abbau eingesetzt werden können. Diese Erkenntnis eröffnet eine völlig neue Perspektive im Kampf gegen die Antibiotikaresistenz von Bakterien, die ein grosses Gesundheitsrisiko darstellt.
Die identifizierten Biokatalysatoren wurden zuerst im Labor und später in Feldexperimenten auf ihre Wirksamkeit in der biologischen Reinigung von verschmutztem Grund- und Abwasser getestet. Neben der Identifizierung und dem Testen neuer Biokatalysatoren wurden auch eigens neue Reaktorsysteme für immobilisierte Biokatalysatoren entwickelt. Damit erreichten die Forschenden, dass die neuentwickelte Technologie sozusagen «mobil» ist und die Umwelttechnologie an den Standort der Verschmutzung gebracht werden kann. Dadurch kann eine unkontrollierte Verbreitung des verschmutzten Wassers verhindert werden. Die Nutzbarkeit der Technologie und der Reaktoren wurde ausgiebig getestet in Bezug auf die Wirksamkeit der Behandlung, auf Risiken sowie auf die Einhaltung der EU-Richtlinien im Wassersektor.
Insgesamt konnte mit dem Projekt «MINOTAURUS» aufgezeigt werden, dass die Verwendung natürlicher Enzyme und Mikroben zur Remediation den gesamten Energie- und Chemikalienverbrauch reduziert, Kosten senkt und den CO2-Fussabdruck minimiert. Darüber hinaus bildeten die Erkenntnisse eine solide Basis für die Gründung des aus der Hochschule für Life Sciences FHNW hervorgegangenen Spin-off-Unternehmens INOFEA AG.
Ein zentraler Aspekt von RPFI-Projekten ist die Weiterverbreitung der Ergebnisse. Wissenschaftliche Ergebnisse sollen dabei nicht bloss in Fachzeitschriften publiziert, sondern auch der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Projekt «MINOTAURUS» sind beispielsweise in einem Buch veröffentlicht worden. Würde es nach Philippe Corvini gehen, wären Entscheidungsträgerinnen und -träger in Europa noch besser über die Ergebnisse der RPFI-Projekte zu informieren. Dadurch könnte der sozioökonomische Nutzen der RPFI-Projekte weiter gesteigert werden.
Gesundes Altern für alle
- Lifecourse biological pathways underlying social differences in healthy ageing
- Projektdauer: 05/2015 – 04/2019
- Anzahl Projektpartner: 17, Anzahl Länder: 11
- Gesamtbudget: € 7'259'113, Budget CH Partner: € 841'525
Verschiedene Studien zeigen, dass Unterschiede in sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Lebensbedingungen zu starken gesundheitlichen Ungleichheiten führen können. Diesbezüglich betroffene Menschen sind anfälliger für gewisse Krankheiten wie Diabetes. Auch haben sie eine höhere Sterblichkeit und entsprechend eine kürzere Lebenserwartung.
«Lifepath war eine der bereicherndsten Erfahrungen meiner bisherigen Karriere.»
Dr. Silvia Stringhini
Universitätsspital Lausanne (CHUV)
Das Ziel des Projekts «Lifepath» war es, die biologischen Mechanismen, auf die die sozioökonomischen Gegebenheiten wirken und die ein gesundes Altern fördern, zu identifizieren. 15 Projektteams aus über zehn Ländern untersuchten dazu die biologischen Spuren, die im menschlichen Körper hinterlassen werden, wenn er bestimmten sozioökonomischen Faktoren ausgesetzt wird. Auch Dr. Silvia Stringhini vom Universitätsspital Lausanne (CHUV) beteiligte sich am Projekt. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen erhoben weltweit Daten aus über 40 Kohortenstudien mit insgesamt knapp zwei Millionen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Das Endziel des Projektes bestand darin, die Idee eines gerechten und ausgewogenen Gesundheitsansatzes auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu fördern und die Auswirkungen sozioökonomischer Unterschiede zu verringern. So konnte zum Beispiel aufgezeigt werden, dass neben materiellen Faktoren psychosozialer Stress, insbesondere bei Kindern und gefährdeten Erwachsenengruppen, wahrscheinlich ein Schlüsselfaktor für die Entstehung gesundheitlicher Ungleichheiten ist. Geeignete Massnahmen können die Ausprägung sozioökonomischer Nachteile beeinflussen und so zu einem gesünderen Altern beitragen. Das Projekt «Lifepath» konnte dazu verschiedene Vorschläge über den richtigen Zeitpunkt der Massnahmen und die Notwendigkeit eines integrierten Ansatzes für ein gesundes Altern liefern.
Die Erkenntnisse tragen dazu bei, aus gesundheitlicher Sicht die Lücke zwischen benachteiligten und wirtschaftlich bessergestellten Gruppen zu schliessen. Auch dienen sie der Erarbeitung künftiger Gesundheitspolitiken und -strategien weltweit, die darauf abzielen, einen gleichberechtigen und universellen Zugang zu Prävention in einer möglichst frühen Phase und zur Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.
Neben einer Vielzahl von Publikationen in renommierten wissenschaftlichen Zeitschriften erlangte das Projekt auch grosse mediale Aufmerksamkeit. Silvia Stringhini nennt zudem als weitere Pluspunkte: «Dank dem Projekt konnten wir ein beachtliches Netzwerk in mehreren Ländern aufbauen und die Bedeutung dieser Disziplin in der Schweiz festigen. Das Netzwerk wird für den Rest meiner akademischen Karriere Bestand haben.» Bereits hat das erfolgreiche Projektkonsortium weitere Anträge für gemeinsame Forschungsprojekte eingegeben. Laut Silvia Stringhini liegt der grosse Vorteil der von der EU finanzierten Forschungsprojekte darin, mit Forscherinnen und Forschern in Europa und auf der ganzen Welt zusammenzuarbeiten. Dies ermögliche es, Fragestellungen in die richtige Perspektive zu rücken und wissenschaftliche Kontakte über Grenzen hinweg aufzubauen.
Sichere Daten in der Cloud
- Secure Big Data Processing in Untrusted Clouds
- Projektdauer: 01/2016 – 12/2018
- Anzahl Projektpartner: 7, Anzahl Länder: 6
- Gesamtbudget: € 2'285'377, Budget CH Partner: € 537'000
Immer öfter werden Daten, auch heikle Informationen wie zum Beispiel Bankdaten, nicht mehr lokal auf Servern, sondern in einer sogenannten Cloud gespeichert. Auch online-basierte Dienste von Unternehmen sind mehr und mehr cloudbasiert. Das erspart Geld und ist praktisch in der Handhabung. Das Vorgehen birgt aber auch Risiken: In der Cloud sind Daten für nicht berechtigte Personen leichter angreifbar als wenn sie innerhalb des Unternehmens gespeichert werden. Grossangelegte Cyberattacken wie beispielsweise «petya» (2016) oder «wanna cry» (2017) können immense Schäden anrichten und Unternehmen komplett handlungsunfähig machen.
«Das Projekt könnte mittelfristig zu Änderungen in der Gesetzgebung führen.»
Prof. Pascal Felber
Universität Neuchâtel
Das Projekt «SecureCloud», an dem Prof. Pascal Felber von der Universität Neuchâtel teilnahm, hatte zum Ziel, aus der Cloud einen sichereren Ort zu machen. Der erfolgsversprechende Lösungsansatz war dabei, die Daten durch Verschlüsselung unleserlich zu machen und gleichzeitig zu ermöglichen, Berechnungen in einer geschützten Umgebung direkt an den verschlüsselten Daten vorzunehmen. Dank der im Rahmen des Projektes entwickelten Technologie kann nicht einmal der Cloudanbieter die Daten lesen oder verwenden. So sind Daten sogar auf unsicheren Clouds vor unerwünschten Zugriffen geschützt.
Das Projekt ist ein voller Erfolg. Es ist bereits ein erstes Start-up-Unternehmen gegründet worden, um die entwickelte Technologie zu nutzen. Zudem war das Projekt auch im Sinne des interkulturellen Austausches eine Bereicherung. Am Projekt haben sich nebst zwei Partnern aus der Schweiz und je einem aus Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Dänemark, Israel und Italien auch sieben Partner aus Brasilien beteiligt. «Solche gemeinsamen Projekte sind bereichernd und fruchtbar, obwohl Distanz und Zeitverschiebung eine Herausforderung waren», meint Prof. Pascal Felber.
Für Prof. Pascal Felber und sein Team war auch die starke Beteiligung der Industrie an diesem Projekt sehr motivierend. Die Forschung sei so angewandter und die Ergebnisse haben potenziell einen grossen industriellen und gesellschaftlichen Einfluss. Es ist sogar denkbar, dass das Projekt mittelfristig Änderungen in der Gesetzgebung mit sich zieht. Zurzeit ist es in der Schweiz beispielsweise verboten, Patientendaten ausserhalb des Landes zu lagern, so auch in einer Cloud. Wäre jedoch die Cloud dank der neuen Technologie sicher oder vielleicht sogar noch sicherer als ein Server in der Schweiz, wäre ein Aufheben dieses Verbotes zu prüfen.