Europäische Synchrotronstrahlungsanlage ESRF, Grenoble

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© ESRF

Die Europäische Synchrotronstrahlungsanlage ESRF (European Synchrotron Radiation Facility) ist ein hervorragendes Beispiel der europäischen Wissenschaftszusammenarbeit. 21 Länder beteiligen sich an der Finanzierung und am Betrieb dieser Röntgenstrahlungsanlage, die zu den leistungsstärksten der Welt gehört. Mit der kürzlich in Betrieb genommen neuen «Extremely Brilliant Source», dem ersten Hochenergie-Synchrotron der vierten Generation, erweitert die ESRF ihre einzigartigen Möglichkeiten zur Erforschung von Biomolekülen, Nanomaterialien, aktiven Katalysatoren, Fossilien oder wertvollen Kulturgütern. Sie ist unabdingbar für Strukturanalysen in der Festkörperphysik, der Molekularbiologie, der Materialwissenschaft, für Diagnose und Therapie in der Medizin sowie für spezielle Experimente in der Radiobiologie, der Grundlagenphysik und der physikalischen Chemie.

Die ESRF hat sich als einzigartige Synchrotronquelle der Welt etabliert, da sie Experimente und Analysen ermöglicht, die andernorts nicht durchgeführt werden können. Aus diesem Grund kommen jedes Jahr etwa 7000 Wissenschafter an die ESRF um ihre Messungen durchzuführen. So wurden z.B. Prozesse zur Züchtung von qualitativ hochwertigen Kristallen untersucht oder die Qualitätssicherung bei Legierungen und keramischen Materialien durchgeführt. Andere anwendungsnahe Projekte waren die zeitliche Verfolgung von Batterieleistungen, Untersuchungen zur Materialalterung an Bauwerken und die Messung der Umweltbelastung durch Schwermetalle.

Mitglieder der Organisation sind Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich, Italien, Russland, die Schweiz, Spanien und die Konsortien BENESYNC (Belgien und Niederlande) und NORDSYNC (Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden). Wissenschaftliche Zusammenarbeitsverträge bestehen mit Portugal, Israel, Österreich, Polen, Tschechische Republik, Ungarn, Südafrika und Indien. Der Betrieb der ESRF kostet die Mitglieder und die assoziierten Staaten etwas mehr als 100 Millionen Euro pro Jahr. Über 600 Mitarbeitende stellen den Betrieb der ESRF sicher.

Seit 1998 war die Anlage mit 30 Strahllinien vollständig in Betrieb und zeichnete sich durch eine sehr hohe Verfügbarkeit und Stabilität der Strahlung aus; sie funktionierte rund um die Uhr und belieferte die Forschenden mit jährlich 5500 Stunden Strahlzeit. Nach einer nur 20-monatigen Umbauphase und einer Investition von 150 Millionen Euro steht seit August 2020 mit der neuen «Extremely Brilliant Source» ESRF-EBS der Forschungsgemeinschaft die weltweit leistungsfähigste Infrastruktur dieser Art zur Verfügung.

ESRF-EBS, das erste Hochenergie-Synchrotron der vierten Generation

Nach der erfolgreichen Umsetzung eines Upgrade Programms zur kompletten Erneuerung des Strahllinien Parks (inklusive der Instrumentierung und der Datenerfassung) von 2008 bis 2015, wurde das ambitionierte Projekt einer ESRF-EBS in Angriff genommen. Der alte Elektronen Speicherring wurde ausgebaut und durch eine neue Maschine ersetzt, welche die hellsten, kohärentesten und kleinsten je mit einer Synchrotronanlage produzierten Röntgenstrahlen erzeugt. Empfindlichkeit und Dynamik der Bildgebung im Nanomassstab erlauben es, sogar makromolekulare Prozesse und chemische Reaktionen zu filmen. Die ESRF-EBS hat auch bereits Schlüsselinformationen zur Auswirkung von Covid-19 auf die menschliche Lunge geliefert. Dank der Einhaltung des Budgets und der termingerechten Umsetzung konnte die ESRF-EBS ohne Erhöhung der Mitgliederbeiträge finanziert werden, was unter anderem auch dank dem Beitritt von Russland zur ESRF im Jahr 2014 ermöglicht wurde.

Schweizer Beteiligung

Schweizer Forschende aus über 20 Instituten und Zentren nutzen die Strahllinien der ESRF für ihre jeweiligen Untersuchungen und Experimente. Da die Zusprache der Strahlzeit kompetitiv aufgrund der wissenschaftlichen Qualität der Gesuche erfolgt und da Schweizer Forschende eine der höchsten Erfolgsquoten aufweisen, lag die durchschnittliche Nutzung der Anlage durch die Schweiz während vieler Jahre über dem ihr gemäss Beitragsanteil eigentlich zustehenden Wert. Dieser ist seit 2008 leicht gesunken, da die Schweizer Forschenden vermehrt die Swiss Light Source SLS am PSI nutzen.
An der ESRF haben sich Forschende aus der Schweiz mit norwegischen Forschenden zusammengeschlossen und betreiben mit den Swiss-Norwegian Beamlines SNBL seit 1994 zwei eigene Strahllinien. Seit Anfang 2021 werden diese von der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens NTNU in Trondheim, der EPFL, der ETHZ und der Uni Genf finanziert.

Die Schweiz beteiligt sich mit 4% am Jahresbudget der ESRF, was einem Betrag von rund 5 Millionen Franken entspricht. Verantwortlich für die Schweizer Beteiligung an der ESRF ist das SBFI. Die Schweizer Industrie konnte während des Baus der Anlagen mehrere Hochtechnologiekomponenten und -systeme nach Grenoble liefern und die anfallenden Betriebs- und Unterhaltsarbeiten bringen der Schweizer Industrie umfangreiche Aufträge ein. 11,3% der ESRF-Verträge gehen an Schweizer Unternehmen (Durchschnitt über drei Jahre), während die Schweiz nur 4% der Anteile an der ESRF hält. Die Schweiz ist damit das ESRF-Mitglied mit dem höchsten industriellen Rückfluss, insbesondere auch dank der Exzellenz der in der Erfassung von Röntgenstrahlen tätigen Schweizer Unternehmen. Das «Swiss ILO Office» ist für die Unterstützung der Beziehungen zwischen Schweizer Unternehmen und der ESRF zuständig.

Kontakt

SBFI, Laurent Salzarulo
Leiter der Schweizer Delegation

Paul Scherrer Institut
Oliver Bunk
Wissenschaftlicher Delegierter für die Schweiz

SBFI, Kevin Reymond
Schweizer Vertreter im Verwaltungs- und Finanzausschuss der ESRF (AFC)

https://www.sbfi.admin.ch/content/sbfi/de/home/forschung-und-innovation/internationale-f-und-i-zusammenarbeit/internationale-forschungsorganisationen/esrf.html