Mit dem 1999 gestarteten Bologna-Prozess wurde der europäische Hochschulraum (EHR) geschaffen, der im März 2010 symbolisch eröffnet wurde. Das übergeordnete Ziel der Reform ist die Förderung der Mobilität und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Bildungsstandorts Europa. Wichtige Eckpfeiler sind das dreistufige Studiensystem mit Bachelor, Master und Doktorat, das Leistungspunktesystem ECTS, die Zusammenarbeit bei der Qualitätssicherung sowie die Einführung von nationalen Qualifikationsrahmen. Als Signatarstaat der ersten Stunde hat die Schweiz die Reformen zügig umgesetzt.

Geschichte des Bologna-Prozesses in Europa
Der Grundstein zur Bologna-Reform wurde 1998 anlässlich der 800-Jahr-Feier der Universität Sorbonne in Paris mit der sogenannten Sorbonne-Erklärung gelegt. Darin wurde die Vision eines Europas des Wissens skizziert. In der Bologna-Erklärung von 1999 konkretisierten und ergänzten die Bildungsministerinnen und -minister aus 29 europäischen Staaten, darunter auch die Schweiz, die Anliegen der Sorbonne-Erklärung. Insbesondere haben sie beschlossen, bis zum Jahr 2010 einen europäischen Hochschulraum zu schaffen, mit dem Ziel, die Mobilität zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit des Bildungsstandorts Europa zu stärken. In diesem Sinn haben sie sich auf eine ganze Reihe von thematisch eng miteinander verknüpften Massnahmen geeinigt. An den Nachfolgekonferenzen (Prag 2001, Berlin 2003, Bergen 2005, London 2007, Leuven/Louvain-la-Neuve 2009, Budapest/Wien 2010, Bukarest 2012, Jerevan 2015 und Paris 2018) haben sie diese weiter präzisiert und teilweise ergänzt. Auch in geographischer Hinsicht erfolgte eine beachtliche Erweiterung. Inzwischen beteiligen sich 48 Länder am Reformprozess. Wie geplant konnte der europäische Hochschulraum 2010 an der ausserordentlichen Ministerkonferenz in Budapest und Wien eröffnet werden. Er muss noch konsolidiert und weiterentwickelt werden.
Eckpfeiler des Bologna-Prozesses
Um einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum zu schaffen, haben die Bildungsministerinnen und -minister in der Bologna-Erklärung folgende konkrete Massnahmen beschlossen:
- Die Schaffung eines Systems leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse
- Die Schaffung eines zweistufigen Systems von Studienabschlüssen (Bachelor/Master)
- Die Einführung eines Leistungspunktesystems (nach dem ECTS-Modell)
- Die Förderung der Mobilität
- Die Förderung der europäischen Zusammenarbeit bei der Qualitätssicherung
- Die Förderung der europäischen Dimension im Hochschulbereich
In den Nachfolgekonferenzen haben sich die Ministerinnen und Minister dann insbesondere auf die folgenden zusätzlichen Massnahmen verständigt:
- Förderung des lebenslangen Lernens (2001) und Einführung von Verfahren zur Anerkennung von ausserhalb der Hochschule erworbenen Kenntnissen (2005)
- Förderung der studentischen Partizipation (2001) und Verstärkung der sozialen Dimension (2005)
- Automatische und kostenlose Ausstellung von Diploma Supplements (2003)
- Eingliederung des Doktorats als dritte Stufe des neuen Studiensystems (2003) und Verknüpfung des europäischen Hochschulraums mit dem europäischen Forschungsraum (2018)
- Verabschiedung eines übergreifenden Qualifikationsrahmens für den europäischen Hochschulraum und Ausarbeitung von damit kompatiblen nationalen Qualifikationsrahmen (2005)
- Engere Kooperation mit anderen Regionen und Kontinenten (2005) und vereinfachter Zugang zu ausführlichen Informationen über den europäischen Hochschulraum (2007)
- Stärkung der Qualitätssicherung mit der Verabschiedung von Standards und Leitlinien für die Qualitätssicherung im europäischen Hochschulraum ESG (2005 und revidierte Version 2015) und der Errichtung des Registers der europäischen Qualitätssicherungsagenturen für den Hochschulbereich EQAR (2007)
- Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit (2007) und Verstärkung des kreativen und unternehmerischen Denkens (2012)
- Verbesserung der Qualität und Relevanz der Lehre, insbesondere durch die Förderung von pädagogischen Innovationen im Rahmen des studierendenzentrierten und forschungsbasierten Unterrichts sowie durch den Einsatz neuer digitaler Technologien (2015)
- Peer-Unterstützung für die Implementierung der wichtigsten Bologna-Reformen: das dreistufige System, die Qualitätssicherung und die Anerkennung (2018)
Die nächste Bologna-Ministerkonferenz findet 2020 in Rom statt. Seit 2001 ist eine Bologna-Follow-up-Gruppe BFUG für die kontinuierliche Weiterentwicklung des Prozesses zuständig. Die Gruppe setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern aller Signatarstaaten, der Europäischen Kommission sowie der wichtigsten Partnerorganisationen zusammen. Sie wird vom Land, das den EU-Ratsvorsitz innehat, und einem EHR-Mitglied, das nicht EU-Mitglied ist, gemeinsam geleitet. Im zweiten Halbjahr 2018 übernahm die Schweiz mit Österreich die Ko-Präsidentschaft.
Koordinierte Umsetzung in der Schweiz
Bei der Umsetzung der Bologna-Reformen in der Schweiz galt es, den föderalistischen Begebenheiten in der Schweiz Rechnung zu tragen und die Hochschullandschaft in ihrer ganzen Vielfalt zu bewahren. Gleichzeitig sollten die Reformen einheitlich und koordiniert erfolgen. Aus diesem Grund wurden ab 2002 verschiedene verbindliche Richtlinien erlassen. Mit dem Inkrafttreten des Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetzes 2015 erliess der Hochschulrat auf Antrag der Rektorenkonferenz der schweizerischen Hochschulen die Bologna-Richtlinien UH (für die schweizerischen universitären Hochschulen) und die Bologna-Richtlinien FH und PH (für die Fachhochschulen und die Pädagogischen Hochschulen), die den Inhalt der früheren Richtlinien übernahmen.
Per 1. Januar 2020 trat die Verordnung des Hochschulrates über die Koordination der Lehre an den Schweizer Hochschulen in Kraft, welche die bisherigen Richtlinien ersetzt. Die Verordnung dient dazu, einheitliche Vorschriften zu folgenden Punkten sicherzustellen: Studienstufen und deren Übergänge, einheitliche Benennung der Titel sowie die Durchlässigkeit und Mobilität zwischen den und innerhalb der universitären Hochschulen, der Fachhochschulen und der Pädagogischen Hochschulen.
Der Bund leistete während der Umsetzungsphase, die den Rektorenkonferenzen übertragen worden war, finanzielle Unterstützung. Da die Bologna-Richtlinien nur die notwendigsten Vorgaben machen, blieb den Hochschulen ein erheblicher Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung der Bologna-Reformen und der Gestaltung der Studienprogramme.
Auf diese Weise konnte die Schweiz die Erneuerung der Lehre und des Lernens im Sinne der Bologna-Deklaration rasch umsetzen. An den universitären Hochschulen wurden erste Bachelor-Abschlüsse bereits 2004 verliehen. Seit dem Wintersemester 2009/10 beginnen alle Studienanfängerinnen und -anfänger (inkl. Medizin) ihr Studium nach dem Bologna-Modell. An den Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen wurde die neue Studienstruktur flächendeckend auf das akademische Jahr 2005/06 hin eingeführt. Im Jahr 2008 wurden die ersten Bachelordiplome, im Fachhochschulbereich der berufsqualifizierende Regelabschluss, ausgestellt, und seit dem Herbstsemester desselben Jahres werden auch (konsekutive) Masterstudiengänge angeboten.
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